Das 15. Türchen unseres Adventskalenders

Torstraßenplanung – Fehlt da was? Ja, Schatten.

Wenn wir über einen Straßenraum der Zukunft nachdenken, fällt uns eine Menge ein, was bei seiner Planung berücksichtigt werden muss. Schon heute ist es im Sommer viel zu heiß auf der Straße und auf den Gehwegen. Im klimatisierten Kraftfahrzeug ist das vielleicht weniger spürbar, aber die Fahrzeuge selbst tragen noch einiges zur Aufheizung bei. Die Temperatur eines dunklen Autos ist extrem viel höher als die der Umgebung. Die Klimaanlagen pusten zusätzlich noch heiße Luft in ihre Umgebung.

Alle anderen Verkehrsteilnehmer, die nicht in klimatisierten Fahrzeugen unterwegs sind, leiden unter der sommerlichen Hitze. Und nicht nur, wenn sie sich fortbewegen, sondern auch, wenn sie sich in ihrer unverschatteten und vielleicht schlecht gedämmten Wohnung aufhalten müssen. Das ist nicht nur eine Komfortfrage, sondern ein echtes Gesundheitsproblem. Die Berliner Architektenkammer hat gemeinsam mit der Berliner Ärztekammer in diesem Jahr eine „Handreichung zum Hitzeschutz“ herausgegeben, bei der sowohl gesundheitliche, als auch planerisch-bauliche Aspekte zusammenspielen.

Der notwendige Hitzeschutz stellt selbstverständlich Anforderungen an den öffentlichen Raum. Wird er nicht berücksichtigt, führt das richtigerweise zu Kritik und Protest. Prominente Beispiele dafür sind der fast vollständig versiegelte Berliner Schlossplatz rund um das Humboldtforum und jüngst die Umgestaltung des weitgehende baumlosen Gendarmenmarktes. Beides Projekte in Regie von Berliner Senatsverwaltungen.

Es gibt Länder in Europa, die dem Hitzeschutz als technisches, bauliches, organisatorisches und soziales Problem einen viel höheren Stellenwert einräumen, als dies hierzulande der Fall ist. Das betrifft Planungsgrundsätze und die Organisation von Hilfen für vulnerable Gruppen bei Hitze, das betrifft aber auch ganz praktische Hilfestellungen.

Die Stadt Wien hat vor einiger Zeit eine sehr schöne Veröffentlichung mit dem Titel „Wiener Schatten“ herausgebracht. Darin wird die Notwendigkeit, Bäume zu erhalten und zu planzen hervorgehoben, aber auch alternative Möglichkeiten für mehr Stadtgrün, auch z. B. in den Wirtsvogärten der Gaststätten. Ist partout keine Baumpflanzung möglich, kann auch mit rankendem Grün an baumähnlichen Gestellen gearbeitet werden, eine Möglichkeit, die offenbar keinem an der Torstraße beteiligten Planer bekannt ist. Ein Blick über den Tellerrand kann manchmal sehr hilfreich sein, findet aber zu selten statt.

Fassadenbegrünung leistet ebenfalls einen Beitrag zur Kühlung von Stadt und Haus im Sommer (Elisabethkirchstraße), ersetzt aber keine alten, großen Bäume!

Dabei gibt es in Berlin mit dem Stadtentwicklungsplan Klima 2.0 eine sehr gute Grundlage, die – obwohl es einen Senatsbeschluss dazu gibt – in der Torstraße nur unzureichend umgesetzt wird.

Wie technisch dagegen die Planenden bei der Torstraße denken, wird an den Bushaltestellen deutlich: Dort kann angeblich kein Baum stehen, weil das die Barrierefreiheit beeinträchtigt. Erfreulicherweise wurde davon bei der „Bürgerinformationsveranstaltung“ am 19.11. bereits abgerückt. In Zusammenarbeit mit der BVG war wohl festgestellt worden, dass die Türabstände der eingesetzten Busse wohl doch jeweils einen Baumerhalt je Haltestelle zulassen. Merkwürdigerweise nur bei zwei von vier Haltestellen. Verstehe das, wer will.

Noch gibt es schattige und durch Verdunstung der Bäume kühle Bereiche auch auf der sonnenbeschienenen Nordseite der Torstraße. Wenn es nach den Planern geht, bald viel weniger.

Bildquelle: Bürgerinitiative Lebendige Torstraße, Ärztekammer Berlin

Handreichung zum Hitzeschutz: https://www.ak-berlin.de/fachkompetenzen/fachthemen/nachhaltiges-planen-und-bauen/broschuere-1/?itemsPerPage=96&cHash=5a8efd650593a8f31badc26e2b3ad428

Stadtentwicklungsplan Klima 2.0: https://www.berlin.de/sen/stadtentwicklung/planung/stadtentwicklungsplaene/step-klima-2-0/

Wiener Schatten: https://www.wien.gv.at/stadtplanung/broschuere-wiener-schatten

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